Wenn es Nacht wird…
Tito & Tarantula, Keimzeit und Chaos Empire – ein Freitagabend in Erfurt
01.10.2010 [db] Am Anfang war Keimzeit. Und Land in Sicht – so der Name der aktuellen Tour. Dann kamen Tito Larriva und ein wilder Haufen Metalheads dazu. Man kann in der Thüringer Landeshaupt nicht mit Bestimmtheit sagen, wie ein Freitagabend verlaufen wird. Ruhig und entspannt war er geplant – bei den Herren von Keimzeit. Derb und heiß ging er zu Ende. Nicht geplant, aber schön. Mich verschlägt es erst einmal ins HsD, ins ehemalige Gewerkschaftshaus. Urgesteine live zu erleben hat schon etwas für sich – Keimzeit gibt es seit Anfang der 1980er Jahre. Dass ich schon lange einen Keimzeit-Song unter meinen all time favorites habe, merke ich erst an diesem Abend:
Kling klang, du und ich, die Straßen entlang. Kling klang, du und ich, die Straßen entlang.
Bloß von hier weg, so weit wie möglich. Bis du sagst, es ist Zeit, wir müssen aus Feuerland zurück. Nach Hause,
im Wiener-Walzer-Schritt.
Wie hab ich den Song schon beim ersten Mal hören geliebt. Und da steht diese Band, die es seit 30 Jahren gibt, im ehemaligen Gewerkschaftshaus auf der Bühne. Profi durch und durch. Verspricht einen langen schönen Abend und ich bin im Himmel. Um mich herum Jung und Alt versammelt, ein volles Haus. Es sind viele da, die mit Keimzeit älter wurden, die Erinnerungen mit ihnen verbinden und bei bestimmten Songs ihren Partner in den Arm nehmen. Dazu eine gut gelaunte Band auf der Bühne, die zwar kein neues Album zur Tour rausgebracht hat, aber dennoch den Saal füllen kann. „Stabile Währung Liebe“ heißt das noch aktuelle Album der Band, die einst aus Brüdern entstand – „Land in Sicht“ die Single, nach der die jetzige Tour benannt wurde. Lächeln und Tanzen ist das Motto des Abends. Nachdem Eiszeitklub – eine junge Band aus Magdeburg – die Bühne für Keimzeit bereitet hatten, geht es mit herrlich nach Sonne duftendem Ska in die Nacht.
Doch mich treibt es weiter. Richtung Centrum. Parkplätze sind dort rar gesät. Ich muss suchen, bis ich den Weg am Einlass vorbei in den Club finde. Dort kocht es. Was für eine Stimmung! Schon bei der Vorband „Kellner“ hätte ich etwas verpasst, wird mir erzählt. Der Club ist bis zum bersten gefüllt. Die Bühne ist nackt, kein Schnickschnack, nur die notwendige Technik und eine Band, die es in sich hat: Tito & Tarantula. Spätestens seit Robert Rodriguez‘ „From Dusk Till Dawn“ (1996) kennt sie jeder, verbindet jeder den lasziven Schlangentanz von Salma Hayek mit dem Song „After Dark“. Im darauffolgenden Jahr erschien das Debütalbum „Tarantism“ und seither ist die Band nicht mehr wegzudenken. Ihre Clubkonzerte sind legendär und Fans nehmen für ein solches Liveerlebnis schon mal weitere Strecken auf sich. Als schweißtreibend und energiegeladen werden die Gigs von Tito & Tarantula beschrieben. Dem kann ich nur beipflichten. Als ich die Tür zum Club öffne, um mich an den Rand der Bühne vorzukämpfen, schlägt mir eine unglaubliche Hitze entgegen. Im Publikum – auch hier – lächelnde Gesichter, Leute, die mitsingen und Leute, die tanzen. Weiter vorne pogen einige. Dazwischen Jungs mit Sombreros und eingewickelt in Ponchos. Der Rest ist eine schwitzende, bebende Masse, die nach vorne blickt und ihrem Helden der Nacht – Tito Larriva – huldigt. Mein Fotograf vor Ort ist total happy, doch wir müssen weiter. Richtung Hölle. Als wir das Centrum verlassen, verklingen die letzte Töne von „After Dark“ und eine ganze Reihe Frauen aus dem Publikum steht auf der Bühne und versucht sich als Salma Hayek.
„In der Hölle ist der Teufel los“, denk ich mir, als wir an der Abendkasse vorbei sind. Im Club From Hell ist es heute sehr voll – Belphegor betreten gegen 23Uhr die Bühne und die Menge im Saal tobt. Mit der European Terror Raid Tour 2010 sind sie an diesem Abend in Erfurt. Passenderweise in der bekanntesten Metallocation der Umgebung – dem From Hell. Passenderweise bei der bekanntesten Veranstaltungsreihe für Metalheads in der Umgebung – dem Chaos Empire. Den Weg zur Bar gebe ich gleich auf. Bis ich da durchgekommen bin, ist das Konzert gelaufen. Gerade noch wird an der Lichttechnik herumgebastelt, als ich die Treppen zur Empore hochgehe. Dann geht es auch schon los. Licht aus. Spot an. Death Metal los. Benannt nach einem Dämon aus dem Mittelalter, lassen es die Österreicher dementsprechend schnell, hart und düster losgehen. Kunstblut und diabolische Grimassen gepaart mit Black/ Death Metal lassen ihr Publikum heftig headbangen. Heiß ist es hier, wie im Centrum. Und ich denke mir, von Keimzeit bis Belphegor ist es ein gewaltiger musikalischer Grat, doch Spaß machen sie alle. Von sympathischen Alt-Ost-Rockern mit Skaklängen, über amerikanischen Rock mit mexikanischem Feuer hin zu Salzburger Supreme Death Metal. An diesem Abend bietet Erfurt mal wieder eine große Auswahl musikalischen Könnens – von den Veranstaltungen im Museumskeller, Uni-k.u.m. und Domizil mal ganz zu schweigen. Wenn ich dann höre, in Erfurt sei nichts los, dann weiß ich auch nicht weiter. Schaut euch um, wenn ihr durch die Stadt geht. Überall hängen Plakate mit anstehenden Konzerten. Überall gibt es Clubs, die Newcomerbands, alten Hasen und Durchstartern eine Bühne bieten. Hingehen! Abgehen!